Am 20. April 1918, früh am Morgen, marschieren die Angriffstruppen Richtung Süden, nach Lahayville wo sie in
Reserveunterstände am Ufer des Rupt-de-Mad Baches auf den Angriffsignal warten. Ettighoffer schreibt folgendes:
[…] Um Mitternacht wird in Pannes angetreten. Hoch segelt der Vollmond am Himmel, dünn und schneidend kalt ist
die Luft. Der steile Berg Montsec steht wie ein gewaltiges Denkmal im Gelände. Über die Mondhellen Wiesen und zer-
schossenen Gehöfte um Essey und Saint-Baussant erreichen wir um halb zwei in der Frühe die Reserveunterstände
bei Lahayville, am Ufer des Rupt-de-Mad-Baches. Man reicht uns Tee mit Rum, doppelte, nein dreifache Portionen,
halb Tee, halb Rum, alles glühend heiß. Donnerweter, man merkt, wo das Zeug hinrinnt.
Kein Schuß. Nichts regt sich. Die Front schläft. Die unheimliche, sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. Ruhig zieht der
Mond seine Bahn. Keine Leuchtkugel zerreißt den Frieden dieser herrlichen Vollmondnacht. Dei Sternen hängen wie
dicke leuchtende Tropfen am samtschwarzen Horizont. Die Luft in den Unterständen ist dick und heiß. Kerzen und
Hindenburglichter glimmen rasch herunter, haben nur dünne Flämmchen, erlöschen. Unsere Leuten sitzen auf dem
Boden, auf den Bäken, an den Tischen und rauchen. Hin und wieder zischt ein Streichholz, flackert und beleuchtet
ein stoppelreiches Soldatengesicht. Dann ist es wieder dunkel. In den Ecken und auf den Pritschen beginnen sie
schon zu schnarchen. […]
Gesehen aus Seicheprey, links auf dem Bild der Berg Montsec (US Archiv) /
La colline Montsec, vue depuis Seicheprey, au gauche de la photo (document US)
Ein Lufbild von Seicheprey und seine Umgebung. Rot: Richtung des deutschen Angriffes.
Weiss: die zweite amerikansiche Verteidigungslinie, genannt "Sibille Schützengraben (US Archiv) /
Une vue aérienne de Seicheprey et de ses environs. En rouge : la direction de l'attaque allemande.
En blanc : la deuxième ligne de défense américaine; appelée "tranchée Sibille" (document US)
Um 3 Uhr fängt die Schlacht mit heftiges Artilleriefeuer.
22 Feldkanonen-Batterien, 28 leicht Feldhaubitz-Batterien, 13 schwere Feldhaubitz-Batterien, 12 schwere, 36 mittlere
60 leichte Minenwerfer unterstützen das Unternehmen in erste Linie. Die amerikanische Artillerie wird mit Gasgranaten
angegriffen. Ettighoffer teilt mit:
[…] Um 3 Uhr fegt plötzlich eine Artilleriesalve daher, als großes Wecken. Einige Haubitzen spielen die Pauke.
Gerade will der Mond hinter dem Wald von Gargantua untergehen, als mit rasender Gewalt die Salven über uns hinweg-
rollen. Dann setzen rücksichtlos und bellend die leichten Feldgeschütze ein. Sie sind auf niedringen Sturmlafetten knapp
hinter der Reservestellung aufgefahren, bei Nacht und Nebel, müssen vor Tagesanbruch wieder fort sein, feuern aber
in direktem Schuß auf etwa 1500 Meter in die feindliche Linie. Knapp über die Häuserreste von Lahayville hinweg
johlen die Geschosse und verschwinden in der Nacht. Und wieder und immer wieder, von Maizerais, von-St. Baussant,
von Euvezin, von Essey, und von allen Seiten her brüllen die leichten Geschütze ihr heiseres "Bui! Bui! Bui! Bui!" […]
Die Artillerievorbereitung dauert circa drei Stunden. Um 6.30 Uhr fängt der Tag schon zu grauen. Die Soldaten warten
auf das bestimmte Zeichen. Eine Leuchtrakete. Plötzlich ist es so weit. In der Luft wird eine rot-grüne Doppelrakete
abgeschossen: STURM!
Es ist 7 Uhr. Die Gegend ist mit Nebel umgeben. Die deutschen Sturmsoldaten benutzen es als Tarnung. Der Leutnant
Ettighoffer teilt uns mit:
[…] Es ist 7 Uhr. Kientz hebt sein Gewehr mit dem Aufgepflanzten Stoßtruppdolch. "Los!" […] Wir sind von watteglei-
chem Nebel umgeben. Rechts und inks hat der Bodennebel die anderen Stoßtrupps verschluckt. Unser einziger Rich-
tungsanzeiger ist das Toben und Krachen in den feindlichen Stellung. […] Tauchen zwei zerzauste Gebüsche aus dem
Dunst, das Alpha und das Betawäldchen, (Karten auf der erste Seite schauen). Unsere Richtung stimmt. Zwischen den
beiden Wäldchen fällt unser Stoßtrupp in die feindliche Linie. […] Aber nun hat man uns entdeckt und ein Maschinen-
gewehr schüttelt von irgendwoher seine Geschoßgarbe herüber. Sie werden in den Gräben lebendig. […] Handgranaten
fliegen uns entgegen. Ein hartnäckiger erbitterter Widerstand, wie ihn keine der zermürbten Truppen der Franzosen
oder Engländer zu leisten vermochte, hemmt unser Vordringen. Wir nehmen zuerst volle Deckung, um die Lage zu
überblicken. Vor uns liegt ein starker Unterstand, dem ständig neue Verteidiger entströmen. Es sieht bös aus für uns.
Endlich hat Kientz seinen Plan gefaßt. Teilt uns in drei Gruppen ein und von drei Seiten gleichzeitig dringen vor gegen
die Unterstände. Unteroffizier Roos erhält dabei einen Kopfschuß und ist sofort tot.
Der Feind weicht und zieht kämpfend von Schulterwehr zu Schulterwehr. Nur Tote und Schwerverwundete läßt er
zurück, alles große, sehnige Gestaltenin wundervollen Uniformen, an den Füßen langschäftige Gummistiefel. […]